“I want you to panic”.
Das hat Greta Thunberg einst gesagt. Eine andere Form dieser Aussage kann man im Spiegel oder auch Guardian lesen, wenn man die Berichte über die vermeintliche Entwicklung der AMOC ansieht. Eine neue Studie aus Dänemark hat das nahe Ende der Atlantischen Strömung prognostiziert. Wir haben bereits darüber berichtet. Stefan Rahmstorf leitet seinen Artikel dazu im Spiegel so ein:
“Dies ist kein Alarmismus, sondern alarmierend: Die Atlantische Umwälzströmung sorgt für den Austausch warmer und kalter Wassermassen im Ozean und könnte bis 2050 versiegen – mit bisher unabsehbaren Folgen.”
Wer liest schon den Konjunktiv? Der Guardian hat folgende Titelzeile:
“Gulf Stream could collapse as early as 2025, study suggests
Jeder, der solche Headlines liest, wird sich vermutlich auf die letzten 18 Monate mit erträglichem Leben in Europa vorbereiten. Zweifel werden im Guardian zwar auch geäußert, aber erst eine Zeile darunter.
“A collapse would bring catastrophic climate impacts but scientists disagree over the new analysis”
Die wenigstens werden differenzierte Artikel wie den aus Spektrum.de lesen.
“Diese Schlussfolgerungen können allerdings andere Klimaexperten kaum nachvollziehen. »Die in der nun erscheinenden Studie so zuversichtlich vorgetragene Aussage, es werde im 21. Jahrhundert zum Kollaps der AMOC kommen, steht auf tönernen Füßen«, urteilt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg laut einer Aussendung des Science Media Center (SMC). Auch Niklas Boers von der TU München und dem Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) hält es für kaum machbar, einigermaßen gesicherte Aussagen zu treffen, wie nah ein Kipppunkt gerückt sei.
»Für eine solche Extrapolation« seien »die Unsicherheiten in den mechanistischen Annahmen und in den zu Grunde liegenden Daten [der Studie] (…) viel zu groß«, sagte der Klimaexperte ebenfalls gegenüber dem SMC.
Zudem seien die Daten zur Oberflächentemperatur aus der Zeit von 1870 bis 2020 von unterschiedlicher Qualität. Das könnte Berechnungen leicht fehlerhaft machen. Laut Marotzke gibt es außerdem erhebliche Zweifel daran, »ob man Messungen der Oberflächentemperatur einfach als AMOC-Stellvertreterdaten benutzen kann«. Wie die Spezialistin für Klimamodellierungen Johanna Baehr von der Universität Hamburg betont, würden Ditlevsen und Ditlevsen mit ihren Daten überdies ein viel zu kleines Gebiet abdecken.
Die Temperaturen der Wasseroberfläche beträfen lediglich den Nordatlantik. »Damit wird die Studie der Komplexität des Klimasystems in vielerlei Hinsicht nicht gerecht«, sagt sie laut dem SMC.”
Bei SMC kann man die Kritiken sehr gut zusammengefasst lesen. Es ist schon interessant, wie sich Forscherkollegen ausdrücken, wenn sie im Grunde sagen wollen, dass die Studie erschreckende Mängel hat und schon früh falsch abbiegt mit den Oberflächentemperaturen. Beispiel Prof. Dr. Gerrit Lohmann vom AWI in Bremen:
„Die AMOC allerdings allein aus der Oberflächentemperatur in einer Region zu rekonstruieren, ist in meinen Augen etwas problematisch. Methodisch gäbe es hier noch andere Ansätze, die zum Teil schon publiziert sind [8]. Hier wäre es in meinen Augen besser gewesen, kritischer zu sein. Zudem geht man bei der Methode von einem zeitlich konstanten Fingerabdruck aus.“
„Ich halte die Aussage im begleitenden Pressetext von Nature für nahezu ausgeschlossen, wonach ein Kollaps der AMOC ‚led to mean Northern hemisphere temperature fluctuations of 10 – 15 degrees celsius within a decade‘. Solche starken Temperaturänderungen werden in keinem Szenario durch Zirkulationsmodelle prognostiziert.“
„Meine Befürchtung ist, dass die aktuelle Studie an manchen Stellen nicht sorgfältig genug ist. Aber eine inhaltliche Kontroverse sorgt sicherlich für bessere Forschung“
Für Stefan Rahmstorf läuft das Thema in den Medien prima, denn kaum jemand wird von der Kritik an Studie lesen und sie verstehen. Die Botschaft bleibt, die AMOC kippt, der Golfstrom kommt zum Erliegen. Seine These, die er schon einige Jahre propagiert, sieht er nun wieder bestätigt, die Kritik an der Studie wird gekonnt ignoriert. Es geht höchstens nur noch um den Zeitpunkt, wann das System kippt. Aber selbst da sind die Autoren der Studie sehr sicher. Um das Jahr 2050 herum wird es passieren.
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Wir sind mitten im Hochsommer auf der Nordhalbkugel bzw. Im Winter auf der Südhalbkugel. Daher ein Blick zum Meereisportal, des Alfred-Wegener-Instituts. Sowohl am Südpol als auch am Nordpol liegt die Meereisausdehnung unter den langjährigen Mittelwerten – in der Antarktis sogar deutlich darunter.
(Abbildung: Screenshot Meereisportal.de)
(Abbildung: Screenshot Meereisportal.de)
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100 Tage Atomausstieg. Die taz zieht Bilanz.
“Mit einem Saldo von 3,0 beziehungsweise 3,7 TWh waren der Mai und der Juni sogar die importstärksten Monate überhaupt in den Energy-Charts, die vom Fraunhofer ISE in Freiburg bereitgestellt werden. In der bisherigen Gesamtbilanz des laufenden Jahres gleichen Importe und Exporte sich noch aus. In der Stromhandelsbilanz spiegelt sich einerseits die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke wider, denn dadurch reduzierte sich die hiesige Stromerzeugung um zwei bis drei TWh pro Monat. Andererseits ist die Entwicklung auch vom typischen jahreszeitlichen Verlauf geprägt. Denn das Winterhalbjahr ist für Deutschland traditionell sehr exportstark, während es im Sommer auch in der Vergangenheit schon Monate mit Importüberschuss gab.”
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Gebt uns gefälligst noch mehr Subventionen! So kann man einen Artikel von Hans Josef Fell kurz zusammenfassen. Er wendet sich vehement gegen Ausschreibungen für Erneuerbare Energien, wo der günstigste Anbieter den Zuschlag erhalten soll. Das ist für Betreiber natürlich schlecht, weil es die Margen verschlechtert. Für seinen Artikel startet er mit der Hitzewelle in Südeuropa.
Es ist das “I want you to panic” in diesem Fall. Das ist bekannt, weil egal, ob Hitze, Waldbrand oder Starkregen auf der Welt, man braucht einfach nur mehr Solarflächen und Windräder in Deutschland und schon ist das Problem gelöst.
Aber dann wird es interessant, denn für das nicht ausgeschöpfte Potential der Erneuerbaren Energien wird die Atomwirtschaft verantwortlich gemacht. Dabei sind die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet. Welche Interessen sollen denn geschützt werden? Deutscher Atomstrom verstopft nichts mehr seit dem Frühjahr, französischer Atomstrom fließt ohnehin geschmeidiger durch deutsche Netze, wie wir seit einige Wochen erfahren können.
“Die Gründe für das nicht ausgeschöpfte Potenzial der Erneuerbaren Energien sind vielfältig. Einer der Hauptfaktoren liegt im offenen und versteckten Widerstand der fossilen und atomaren Wirtschaft, die ihre eigenen Geschäftsinteressen schützen möchte. Schon seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts verlangen sie, dass Klimaschutz „marktkonform“ sein müsse. Dadurch haben sie politische Maßnahmen gefordert und schließlich auch durchgesetzt, die unter dem Diktat des „Marktes“ effektiven Klimaschutz verhindern. Hierzu gehören der Emissionshandel und staatliche Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütungen.”
Es geht also um Geld oder um noch mehr Geld. Lobbyisten wie Hans Josef Fell oder Simone Peter spielen auf diesem Klavier sehr erfolgreich seit langer Zeit.
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Der Schiffsbrand eines Frachters in der Nordsee, der u. a. Elektroautos transportierte, wirft ganz neue Fragen auf. Offenbar hatte sich ein Elektroauto in der Ladung entzündet. Die Crew konnte den Brand nicht löschen, das dürfte bei solchen Bränden auch aussichtslos sein. Wie aber sollen zukünftig E-Autos sicher auf Schiffen transportiert werden? Ein Brand und das anschließende Sinken könnten fatale Folgen für die Umwelt haben. Der NDR:
“Das Feuer war laut der Behörde zufolge ausgebrochen, als der Frachter auf dem Weg von Bremerhaven ins ägyptische Port Said war. Medienberichten zufolge gehört der Frachter dem japanischen Unternehmen Shoei Kisen Kaisha, dem Eigner des Containerschiffs „Ever Given“, das im März 2021 den Suezkanal blockiert hatte. Laut Küstenwache könnte eines von rund zwei Dutzend Elektroautos an Bord in Brand geraten sein. Die 23-köpfige Besatzung habe zunächst versucht, das Feuer zu löschen. „Der Brand hat sich extrem schnell entwickelt. Deswegen haben wir beschlossen, die Mannschaft zu evakuieren“, sagte ein Sprecher.”
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Welches sind die effizientesten und lohnendsten Entwicklungsmassnahmen für die ärmere Hälfte der Welt? Der dänische Statistiker Björn Lomborg hat aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen in seinem neuen Buch „Best Things First“ dargelegt, welche Strategien die besten sind. Resultat: Mit nur 41 Milliarden Dollar jährlich könnte man 4,2 Millionen Menschen pro Jahr retten und einen unglaublichen Mehrwert von 1,1 Billionen Dollar schaffen. Und wichtig: Klimaschutz gehört bei weitem nicht zu den besten Strategien und ist geradezu hoffnungslos ineffizient, um Gutes für die Welt zu schaffen. Alex Reichmuth ist Lomborgs Buch im Nebelspalter in einer dreiteiligen Serie auf den Grund gegangen: Teil 1, Teil 2, Kommentar.
Unglaublich viel Nutzen für die Ärmsten der Welt
Mit vergleichsweise wenig Geld einen enormen Nutzen für das Wohlergehen der Menschheit schaffen: Das ist das Rezept des dänischen Statistikers Björn Lomborg. Er ist Leiter der Denkfabrik «Copenhagen Consensus Center» (siehe hier) und wurde vom amerikanischen Magazin «Time» einst als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt bezeichnet (siehe hier). In seinem neuen Buch «Best Things First» («Die besten Dinge zuerst») legt Lomborg dar, auf welche Weise man mit jährlich 41 Milliarden Dollar jedes Jahr 4,2 Millionen Menschenleben retten und zudem einen Mehrwert von 1,1 Billionen Dollar erzeugen könnte.
Weniger Malaria, aber mehr Bildung und Freihandel
Björn Lomborg stellt das Thema Entwicklung in armen Ländern auf eine rationale Basis. In seinem neuen Buch «Best Things First» («Die besten Dinge zuerst») wartet der dänische Statistiker und Leiter der Denkfabrik «Copenhagen Consensus Center» mit zwölf Strategien auf, die pro eingesetzten Dollar den grössten Nutzen für die ärmere Hälfte der Menschheit bieten (siehe Teil 1).
Konkret rechnet Lomborg vor, dass man mit jährlich zusätzlichen 41 Milliarden Dollar 4,2 Millionen Menschen retten und zudem einen Nutzen von unglaublichen 1,1 Billionen Dollar erzeugen kann. 41 Milliarden sind gerade mal 1,6 Promille des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Für diesen Schluss haben Lomborg und das «Copenhagen Consensus Center» die besten verfügbaren Daten herangezogen.
Klimaschutz gehört bei weitem nicht zu den besten Dingen
Björn Lomborg setzt mit seinem Buch «Best Things First» («Die besten Dinge zuerst») neue Massstäbe. Mit akribischer Gründlichkeit hat der dänische Statistiker zusammen mit zahlreichen führenden Ökonomen der Welt durchgerechnet, welche Entwicklungsmassnahmen in armen Ländern sich lohnen und welche nicht (siehe Teil 1 und Teil 2). Lomborg stellt damit die Hilfstätigkeit auf eine rationale Basis.
Das ist dringend notwendig. Denn wenn es um Entwicklungshilfe und Nothilfe für den sogenannten globalen Süden geht, herrscht meist die Devise vor, dass jedes Handeln nützlich ist und mehr finanzielle Mittel automatisch zu besseren Resultaten führen. Weitherum bestimmt Fatalismus das Handeln.
Mehr dazu im Nebelspalter (www.nebelspalter.ch).