Die zwei Seiten einer Medaille

Aktuell wird eine Meldung des Bayrischen Rundfunks auf Twitter gefeiert. In dem Artikel wird über die Zeit nach dem Atomausstieg berichtet. Offenbar hat nicht jeder, der jetzt laut jubelt, den Artikel gelesen und/oder verstanden. 

“Das Fehlen des deutschen Atomstroms wird überlagert von anderen Effekten, die stärker sind. “Die Erneuerbaren speisen jetzt im Frühjahr deutlich mehr ein als im Winter”, so Haller. Sie sagt aber auch: Erst wenn man ein oder zwei Jahre im Ganzen vergleichen könne, werde man die Auswirkungen des letzten Schritts beim deutschen Atomausstieg sehen können. 

Auch Bruno Burger, der am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) die Datenbank Energy Charts betreut, betont: Im Vergleich zur gesamten Stromproduktion in Deutschland und Europa sei der Effekt der drei Atomreaktoren so klein, dass er schwer zu erkennen sei. “Das Wetter hat viel größeren Einfluss als die drei Kernkraftwerke, und auch unsere Nachbarländer haben einen viel größeren Einfluss auf den Strompreis.”” 

Nun herrscht offenbar große Freude, beim Anblick der Überschrift, dass Strom billiger wird. Ganz angesehen davon, dass davon selten etwas beim Verbraucher ankommt, ist es fast eine Binse, dass Strom im Frühjahr günstiger wird. Was mögen diejenigen, die nun außer sich vor Freude sind, über Meldungen aus Finnland sagen, wo die Inbetriebnahme des neuen Kernkraftwerks Olkiluoto 3 die Strompreise zum Purzeln bringt, wie The National News berichtet

“The Olkiluoto 3 (OL3), Europe’s first new nuclear plant in 16 years, began operating in April and is capable of meeting up to 15 per cent of the country’s power demand. Nuclear made up a third of Finland’s total electricity generation in 2021. Average spot electricity prices in the country fell to €60.55 ($65.69) per megawatt hour in April from €245.98 per megawatt hour in December, a decrease of 75.38 per cent, according to Nord Pool, a physical electricity exchange. In December, Finland, which halted electricity imports from Russia over its invasion of Ukraine, was preparing for rolling power cuts due to high energy demand for heating during the winter. “We have had more stability in the system because of OL3. It’s a huge nuclear plant, one of the biggest in the world, connected to a small system. It has its own risks, which we are happy to follow up on,” Jukka Ruusunen, chief executive of Finland’s national grid operator Fingrid has said.” 

Es spricht nicht gerade für die Bundesnetzagentur, schon nach so kurzer Zeit so eine Hip-Hip-Hurra Meldung zu verkünden. Auf die bezieht sich der BR in erster Linie. Vielleicht will aber der Grüne Chef der Netzagentur einfach nur etwas die Aufmerksamkeit aus sich lenken, damit die Diskussion um den Staatssekretär Graichen abebbt? 

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Hörtipp: Darum sind Moore so wichtig für den Klimaschutz. SWR3 Wissen mit einem Podast über die Bedeutung von Mooren. Die Speicherfähigkeit von Mooren ist erheblich größer als die von Wäldern. 

“Seit den 1950er Jahren werden Moore im großen Stil trocken gelegt. Und da ihnen das Wasser entzogen wird, beginnt die ganze Biomasse im Moor zu vergammeln. Das bedeutet, trockene Moore geben jede Menge Kohlenstoff in die Atmosphäre ab. Etwa 53 Millionen Tonnen sollen das in nur einem Jahr sein. Das sind circa 7,5 Prozent der gesamten CO2 Emissionen in Deutschland. 

“Was wir durch die Erkenntnisse der Wissenschaft heute genau beschreiben können, sind die dramatischen Emissionen, die aus Mooren kommen, wenn man sie entwässert und intensiv nutzt.” 

Man müsse umsteuern, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Allein mit technischen Maßnahmen werde man das nicht schaffen und man müsse vielmehr auch in die Ökosysteme schauen, betont Grützmacher. Die Regierung will deshalb nun Moorflächen wiedervernässen.” 
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Saudi Arabien wird seinen Wasserstoff nicht los. Hydrogen-Central über die Probleme mit dem blauen Wasserstoff. Er wird aus Erdgas gewonnen. 

“Yet existing technology means blue hydrogen could cost the equivalent of around $250 a barrel of oil, Aramco’s chief executive officer said. 

Amin Nasser, for blue hydrogen said on a call with analysts: 

It is very difficult to identify any off-take agreement in Europe. 

“Even the customers in Japan and Korea are waiting for government incentives. Until they get these incentives, it’ll be costly for them to pursue that blue hydrogen.” 

The company won’t make a final investment decision to build hydrogen export facilities without first signing supply deals, he said. It’s so far sent test shipments in the form of ammonia to South Korea and Japan. 

“This is a very expensive program,” Nasser said. “It’s a lot of capital and you need customers. So we will not sanction a project without securing an off-take agreement.” 

The kingdom has some of the world’s biggest gas reserves but barely exploited them in the past. Demand for gas has boomed recently, especially since Russia invaded Ukraine and cut supplies to Europe in retaliation against sanctions.” 

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Kalifornien hat ein Wasserproblem. Zwar gab es im Frühjahr reichlich Niederschläge, was aber zu ganz anderen Problemen führte. Ucsusa.org mit einem Artikel, der empfiehlt deutlich weniger Landwirtschaft in dem US-Bundesstaat zu betreiben. Ackerflächen sollen umgewidmet werden, damit sich das Grundwasser wieder erholt. 

“Strategic cropland repurposing is the change in land use from an economic activity that produces negative side effects (such as harming people’s health and the environment) to new land uses that produce positive side effects. 

For the last four years, I have been studying in detail how to do cropland repurposing right, in a way that benefits all the involved stakeholders. Our team from UCS, the SocioEnvironmental and Education Network (SEEN), University of California Merced (Water Systems Management Lab and Sierra Nevada Research Institute), and other partners have found a way to achieve it and account for it.” 

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Eine Interview-Perle aus dem Sommer 2022 ist uns doch glatt seinerzeit nicht aufgefallen. Katrin-Göring Eckardt wurde von T-Online interviewt. Es ist alles dabei, der Atomstrom, der die Leitungen verstopft bis zum CO2-Verbauch! von Uran. Man lernt nie aus. 

“Umfragen zeigen, dass die Franzosen trotzdem mit großer Mehrheit hinter der Atomenergie stehen. Einer der berühmtesten Klimaexperten des Landes, Jean-Marc Jancovici, kommt in seinem Buch “Welt ohne Ende” zu dem Ergebnis: Atomkraft ist die umweltfreundlichste Energie. Er hält Unfälle wie in Fukushima in Frankreich für ausgeschlossen. 

Sorry, aber so wie Sie es zitieren, ist das Quatsch. Es kann auch in Frankreich Erdbeben, Brände oder Terrorattacken aus der Luft gegen ein AKW geben. Und es stimmt auch nicht, dass diese so CO2-neutral wären. Für Kernkraft muss Uran abgebaut, angereichert und für sehr lange Zeit endgelagert werden. Das alles verbraucht viel CO2. Hinzu kommt: Je mehr Atomstrom produziert wird, umso weniger kommen die erneuerbaren Energien ins Netz. Weil der Atomstrom die Leitungen dann quasi verstopft. Kernkraft ist ein Rückschritt, kein Fortschritt. Vom Endlager-Problem ganz zu schweigen. Wer das nicht berücksichtigt, ist für mich kein guter Klimaexperte.” 

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Leserpost von Paul Schwedtke:

Brot statt Strom – Solaranlagen auf Dächer, nicht auf Weizenböden!

Fehler passieren: mit dem EEG kamen Maiswüsten, dafür mussten Arten gehen. Die Schuld dafür schiebt man Landwirten in die Schuhe. Doch die nutzen nur die ihnen von der Politik angebotenen Möglichkeiten. Gut gedacht ist nicht immer gut gemacht. Der nächste Irrtum: In Ostholstein, und nicht nur dort, sollen auf den besten Weizenböden PV-Groß-Anlagen errichtet werden. Für den Landwirt ein lukratives Geschäft, bekommt er doch jährlich bis 3.000 € pro Hektar an Pacht. Wir alle zahlen doppelt, einmal über den Strom- und dann über den Brotpreis. Wenn tausende Hektar für Getreide wegfallen, steigt der Preis, auch für Brot. Es kommt aber noch schlimmer. Die gewaltige Menge Strom, zumal tagsüber im Sommer, schafft das vorhandene Netz nicht. Der Strom kann nicht ohne Ausbau in die Zentren des Verbrauchs weitergeleitet werden. Klüger wäre, den PV-Strom dort zu gewinnen, wo er auch verbraucht wird. Er muss nicht mit neuen Leitungen über große Strecken transportiert werden. Denn auf 20 % aller bebauten flachgeneigten Dächern wäre das sinnvoll, möglich und nützlich. Aldi, Edeka, Lidl erkannten das, nutzen ihn sofort. Hallen bieten nicht immer die technischen Voraussetzungen. Als erstes limitiert das die Statik, sie reicht oft nicht für eine PV-Auflast. Windlasten müssen beachtet werden. Bisher waren jedoch die rechtlichen Probleme größer als die technischen. Das hat die Politik geändert. Hemmnisse für Gewerbedächer hat sie abgeschafft. Auch Parkplätze bieten sich an, oder Flächen parallel zu Autobahnen. Und zum Schluss: Im Sommer zu viel Strom, bei Nacht und im Winter zu wenig. Bei jeder Wolke sackt die Spannung ab. Dank den Ingenieuren, die tausendfach eingreifen, um die 50-hertz-Stabilität zu sichern. Bisher haben sie die Technik im Griff. Wirtschaftlich ist es oft ein Problem: Zu wenig Strom bekommen wir mit Kohle- und Atomstrom von den Nachbarn und das Zuviel nehmen sie uns oft nur ab, wenn wir Geld dazu legen. Was für ein teurer Irrsinn: Zwei Energiesysteme zu installieren, Gas soll helfen, Kohle tut es. Mal sehen, wie lange wir uns das leisten können.

Paul Schwedtke vom Techniktisch der Kreis VHS Plön

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Clintel hat eine kritische Analyse des 6. Klimaberichts des Weltklimarats-IPCC vorgelegt. Dort finden wir zum Teil haarsträubende Dinge.

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Wurde soeben das perpetuum mobile erfunden? Pressemitteilung der Monash University:

Newly discovered enzyme that turns air into electricity, providing a new clean source of energy

Australian scientists have discovered an enzyme that converts air into energy. The finding, published today in the journal Nature, reveals that this enzyme uses the low amounts of the hydrogen in the atmosphere to create an electrical current. This finding opens the way to create devices that literally make energy from thin air.

The research team, led by Dr. Rhys Grinter, Ph.D. student Ashleigh Kropp, and Professor Chris Greening from the Monash University Biomedicine Discovery Institute in Melbourne, Australia, produced and analyzed a hydrogen-consuming enzyme from a common soil bacterium.

Recent work by the team has shown that many bacteria use hydrogen from the atmosphere as an energy source in nutrient-poor environments. “We’ve known for some time that bacteria can use the trace hydrogen in the air as a source of energy to help them grow and survive, including in Antarctic soils, volcanic craters, and the deep ocean” Professor Greening said. “But we didn’t know how they did this, until now.”

In this Nature paper, the researchers extracted the enzyme responsible for using atmospheric hydrogen from a bacterium called Mycobacterium smegmatis. They showed that this enzyme, called Huc, turns hydrogen gas into an electrical current. Dr. Grinter notes, “Huc is extraordinarily efficient. Unlike all other known enzymes and chemical catalysts, it even consumes hydrogen below atmospheric levels—as little as 0.00005% of the air we breathe.”

The researchers used several cutting-edge methods to reveal the molecular blueprint of atmospheric hydrogen oxidation. They used advanced microscopy (cryo-EM) to determine its atomic structure and electrical pathways, pushing boundaries to produce the most resolved enzyme structure reported by this method to date. They also used a technique called electrochemistry to demonstrate the purified enzyme creates electricity at minute hydrogen concentrations.

Laboratory work performed by Kropp shows that it is possible to store purified Huc for long periods. “It is astonishingly stable. It is possible to freeze the enzyme or heat it to 80 degrees celsius, and it retains its power to generate energy,” Kropp said. “This reflects that this enzyme helps bacteria to survive in the most extreme environments. “

Huc is a “natural battery” that produces a sustained electrical current from air or added hydrogen. While this research is at an early stage, the discovery of Huc has considerable potential to develop small air-powered devices, for example as an alternative to solar-powered devices.

The bacteria that produce enzymes like Huc are common and can be grown in large quantities, meaning we have access to a sustainable source of the enzyme. Dr. Grinter says that a key objective for future work is to scale up Huc production. “Once we produce Huc in sufficient quantities, the sky is quite literally the limit for using it to produce clean energy.”

Paper: Chris Greening, Structural basis for bacterial energy extraction from atmospheric hydrogen, Nature (2023). DOI: 10.1038/s41586-023-05781-7www.nature.com/articles/s41586-023-05781-7

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