Wehe den Siegern

Die möglicherweise schonungsloseste Abrechnung in Sachen Kernenergie-Ausstieg hat die Historikerin Anna Veronika Wendland bei den Salonkolumnisten abgeliefert. 

“Den letzten Klopper landete wieder Habeck, der das staunende deutsche Publikum aus Kiew wissen ließ, die Ukrainer würden selbstverständlich Kernenergie nutzen, denn dagegen sei nichts einzuwenden, solange die Anlagen sicher betrieben würden, „und die Dinger sind ja gebaut“. Das sagt der Mann im Angesicht der Verschrottung von aktuell drei, insgesamt zweier Dutzend deutscher Anlagen, die ja auch „gebaut“ waren bzw. sind und immer sicher betrieben wurden; andernfalls hätten sie von der Atomaufsicht nicht nach jeder Jahresrevision ihre Anfahrgenehmigungen bekommen. Anders als die Ukraine haben wir auch nie einen Reaktorunfall im eigenen Land erlebt, und auch durch den Atommüll, der friedlich in blauen Castor-Behältern in verbunkerten Hallen neben unseren Atomkraftwerken lagert, ist noch nie jemand zu Schaden gekommen.   

Habeck spuckte mit dieser Aussage nebenbei auch noch ein letztes Mal ins Gesicht der deutschen Atomtechniker, die auf eine international betrachtet exzellente Bilanz zurückblicken, und die samt ihren Stromerzeugungs-Weltmeister-Anlagen wie die Hunde vom Hof gejagt werden. Überflüssig zu sagen, dass sich keiner der am 15. April auf den sogenannten „Abschaltfesten“ jubelnden Sekttrinker dazu bequemen wird, die Bilanz dieser Anlagen zu erwähnen, die eben nicht einzig und allein aus Atommüll, sondern aus Hunderten Milliarden Kilowattstunden sauberem und billigem Strom, Zehntausenden vor dem Luftverschmutzungs-Tod geretteter Menschen, Dutzenden Milliarden Tonnen vermiedenem CO2 besteht.” 

Warum wurde eigentlich in der letzten Zeit so stark in den Sozialen Medien noch einmal auf die Kernenergie eingedroschen? Ganz einfach, eine Mehrheit der Deutschen ist mittlerweile gegen den Ausstieg, wie der ARD- Deutschlandtrend meldet. 60% Ablehnung des Ausstiegs sind eine deutliche Sprache. Das wissen natürlich auch Politiker der Union und der FDP. Und deshalb beweinen sie jetzt das Ende der Kernenergie, obwohl sie bei früheren Abstimmungen ganz anderer Meinung waren. Die Ruhrbarone kommentieren ganz besonders die Haltung der FDP bei der Energiepolitik. 

“Dass die FDP nun versucht, den Anschein zu erwecken, sie sei gegen die Politik der Bundesregierung, der sie selbst angehört, geschieht nicht zum ersten Mal: Als Christian Lindner (FDP) nach den nicht enden wollenden Koalitionsgesprächen vor die Kameras trat, erwecke er den Eindruck, dass jeder, dessen Gasheizung im kommenden Jahr kaputt geht, sie durch ein Modell ersetzen kann, dass nicht mit Wasserstoff betrieben werden muss, sondern nur in der technisch dazu in der Lage ist, mit Wasserstoff betrieben werden zu können.  

Dem ist nicht so, stellt Business Insider klar: „Die von der Ampel geplante Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes schreibt nicht vor, dass Besitzer von Gas- oder Ölheizungen diese sofort austauschen müssen. Sondern lediglich, dass ab Januar 2024 neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent durch erneuerbare Energien betrieben werden müssen.“ Ob Lindner bewusst gelogen hat oder einfach zu dumm war zu verstehen, was er verhandelt hat, wird nur er allein wissen. Sollte Letzteres der Fall sein, wahrscheinlich nicht einmal das.” 

Die Öffentlich-Rechtlichen Medien spielen ebenfalls eine eigenartige Rolle bei dieser Sache. 
Nun hat auch das ARD-Magazin Plus-Minus offenbar erkannt, dass es durchaus Auswirkungen haben kann, wenn Deutschland nicht mehr genug Energie hat zum Produzieren oder wenn Energie sehr teuer wird. Als Beispiel wird das Unternehmen Wälzholz genannt. Dort spielen Gedanken um die Energie eine sehr große Rolle für das Unternehmen. Ausgang ungewiss. Die Rolle von Energie und deren Bedeutung für die Industrie hat Fritz Vahrenholt in seinem Vortrag anlässlich der Tagung “Rettet die Industrie” am 19.01.2023 skizziert. Den Auweiha Award für die schrägste Aussage in Sachen Ausstieg aus der Kernenergie bekommt in diesem Monat die Grüne Katrin Göring-Eckart. Die Welt

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) erwartet trotz des Atomausstiegs perspektivisch sinkende Strompreise. „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben“, sagte Göring-Eckardt am Dienstag dem Sender MDR Aktuell. „Wind und Sonne, die kriegen wir immer zum Nulltarif. Da brauchen wir die Anlagen und die Netze, und deswegen ist das das Entscheidende.“ Atomkraft dagegen sei „teuer, sowohl in der Herstellung, in der Produktion, als auch danach“. 

Wir halten einen Moment inne: Seit 20 Jahren steigt der Anteil der Erneuerbaren Energien bei der Stromproduktion in Deutschland. Warum ist in der Zeit der Preis nicht gefallen? Warum kostet Strom aus Wind und Sonne überhaupt Geld? 

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Neues im Fall Jürgen Döschner. Der WDR-Journalist war schon mehrfach Thema in diesem Blog. Döschner hatte seinen Arbeitgeber verklagt. Oder besser, er hat versucht ihn zu verklagen, weil dieser Döschner seiner Meinung nach nicht adäquate Aufgaben gegeben hat. Das Arbeitsgericht Köln hat seine Klage nach Angaben der Süddeutschen Zeitung abgewiesen. 

“In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es, der WDR habe eingewendet, dem Kläger Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten zu haben, die dieser jedoch abgelehnt habe. Das Arbeitsgericht kam deshalb in seiner Begründung zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch “auch wegen der dem Kläger angebotenen Beschäftigungsmöglichkeiten” nicht erreicht seien. Das gelte auch, soweit “diese vom bisherigen inhaltlichen Schwerpunkt der redaktionellen Expertise des Klägers abwichen”. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.” 

Warum der WDR den Journalisten nicht mehr ins Rampenlicht lässt, sollte sich dieser nach einem Posting aus dem Jahre 2017 eigentlich nicht mehr fragen müssen. Aus unserem Blogartikel aus dem Oktober 2022: 

“Ob aber RWE tatsächlich Einfluss auf den WDR genommen hat, das belegt der Correctiv-Artikel wie beschrieben nicht. Man mutmaßt dort lediglich und führt eine Facebookgruppe als Beweis, als ob der WDR sich durch die Bildung einer Facebookgruppe beeindrucken lässt. Auf die Idee, dass der WDR mit Döschner auch im Jahr 2017 enorme Probleme hatte, kam Joeres offenbar nicht, oder besser gesagt, sie verschweigt es lieber. Seinerzeit hatte Döschner ein Posting veröffentlicht, für das sich sowohl er als auch der WDR entschuldigen mussten. Von Automafia war da die Rede und davon, dass diese Mafia viele Menschen vergase. Eine Formulierung, die ganz besonders in Deutschland komplett daneben ist. Da ist seine Äußerung in Sachen Besetzung von Kohletagebau verglichen mit dieser Aussage allerdings schon fast harmlos.” 

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Wie wird die Hurricane Saison 2023? Laut dem Forscher Lian Xie von der North Carolina State University wird ein normales Jahr erwartet

“The 2023 Atlantic hurricane season will see 11 to 15 named storms forming in the Atlantic basin, according to researchers at North Carolina State University. The Atlantic basin includes the entire Atlantic Ocean, the Gulf of Mexico and the Caribbean Sea. 

The number of named storms predicted is at the higher end of the long-term averages, but at the lower end of more recent 30-year averages, according to Lian Xie, professor of marine, earth and atmospheric sciences at NC State. The long-term (1951 to 2022) average of named storms is 11, and the more recent average (1991 to 2020) is 14 named storms. 

Of the predicted 11 to 15 named storms, six to eight may grow strong enough to become hurricanes (the historical average is six), with the possibility of two to three storms becoming major hurricanes.” 

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Leserpost von Udo Wehmann:

Lohnen sich Windkraftanlagen (WKA) im Süden Deutschlands?

Man konnte an verschiedenen Stellen lesen oder hören, dass sich der Betrieb von WKA in Süddeutschland nicht lohne, da die Windstärke von Nord nach Süd sehr stark abnimmt und die Energieausbeute wegen der v-hoch-drei-Abhängigkeit entsprechend gering ist.

Ich wollte diese Aussage etwas mit Zahlen unterlegen und habe mir dazu vom Bundesverband Windenergie in Berlin (BWE) und der Agentur für Erneuerbare Energien die Daten für die 16 Bundesländer besorgt. Das für mich überraschende Ergebnis war, dass die Lastfaktoren, also die Verhältnisse der erzeugten Energie zur installierten Leistung, dividiert durch die 8760 Jahresstunden, für alle Länder ohne Küste im Jahr 2020 nahe bei dem Ländermittelwert von 22 % lagen. Für Off-shore-WKA werden 38,1% (2021) angegeben.

Die überraschend geringen Unterschiede zwischen den Länderwerten lassen sich wohl teilweise dadurch erklären, dass die Werte sehr stark durch die große Anzahl von Anlagen mit geringer Leistung und Nabenhöhe und deshalb geringem Lastfaktor bestimmt werden, die alle Werte drücken. Wenn man jedoch Anlagen gleicher und neuerer Bauart betrachtet, so zeigt z. B. der Vergleich von zwei Gruppen im Norden und im Süden Deutschlands mit jeweils 3 MW Leistung, dass die Anlagen im Süden ca 25 % weniger Energie produzieren als die im Norden. Sie erreichen aber immerhin Volllaststunden im Bereich von 2200-2500, also 25-28 %. Für eine Erklärung der Diskrepanz zwischen der Erwartung aufgrund der geringen Windgeschwindigkeit und den Realitäten fehlen mir leider die Detailkenntnisse.

In einem Vortrag von Dr. Stadler deutet sich jedoch an, dass die Auslegungsdaten der WKA wie Nabenhöhe und Rotordurchmesser einen sehr großen Einfluss auf den Vergleich haben. Deren Vergrößerung scheint bei der Wichtung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Windgeschwindigkeit mit der Leistungscharakteristik der Anlage die Energieausbeute bei schwächeren Windstärken stärker zu erhöhen als bei hohen Geschwindigkeiten. Es scheint aber sicher zu sein, dass Herrn Söders „Ausrede“ hinfällig ist, der Bau der WKA lohne sich nicht in Bayern. Schließlich möchte ich aber nicht verschweigen, dass ich kein Fan der Windkraftanlagen bin. Die Verschandelung der Landschaft und Schädigung der Wälder sowie die zeitliche Schwankung sind zu starke Argumente dagegen.

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Neues Buch über Kernenergie

Martin Schlumpf
Atomkraft – Das Tabu
Brauchen wir Kernkraftwerke?

Martin Schlumpf widmet sich in einem Buch unter dem Titel «Atomkraft – Das Tabu» der Frage, ob es neue Kernkraftwerke braucht. Das Buch geht dem «Elefanten im Raum» bei den Energiediskussionen nach: Ist die Energiewende ohne Atomkraftwerke zu schaffen?

Der Autor hat ein Berufsleben lang als Musiker und Musikprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste gewirkt. Daneben hat er sich aber immer auch mit dem Sammeln von Daten und Informationen zu brisanten Klima-, Energie- und Entwicklungsthemen beschäftigt: Dabei ist er vom engagierten Gegner der Kernenergie zum heutigen Befürworter und Vorkämpfer für Kernenergie geworden – quasi durch Fakten bekehrt. Die folgende Buchbesprechung stammt von Dr. Eduard Kiener, dem ehemaligen Direktor des Bundesamts für Energie.

Was von Anfang an zu erwarten war, wird immer mehr zur Gewissheit: Die Ziele der Energiestrategie 2050 und von Netto-Null, das heisst eine treibhausgasfreie, erneuerbare Energieversorgung, werden nicht erreicht. Daran ändern auch die hektischen Bemühungen zum Fotovoltaik-Ausbau nichts, trotz den vielen alpinen Projektideen. Und selbst wenn es gelänge, bis 2050 genügend erneuerbare Stromproduktion für eine ausgeglichene Jahresbilanz aufzubauen, wäre damit die Versorgung im Winter bei weitem nicht gesichert. Dafür ist die mit steigendem Stromverbrauch verbundene Dekarbonisierung der Energieversorgung viel zu anspruchsvoll. Es fehlen insbesondere weiterhin konkrete Vorstellungen und gesetzliche Vorgaben darüber, wie der erforderliche Systemausbau – Speicher, Netz, Netzregelung – gelingen soll. Deshalb ist unabdingbar, dass die Kernenergie wieder zu einer langfristig tragenden Säule unserer Stromversorgung wird. Es braucht dazu neben dem Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen auch neue Kernkraftwerke.

Martin Schlumpf behandelt in seinem Buch alle wesentlichen technischen, ökonomischen und ökologischen Aspekte der Kernenergie; er wird dabei durch Beiträge von qualifizierten Experten unterstützt. Alex Reichmuth zeigt das Medienversagen beim Atomthema auf, Walter Rüegg berichtet über die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe, Simon Aegerter über jene in Fukushima, Johannis Nöggerath behandelt die Sicherheitsfragen und Markus Saurer die Nachhaltigkeitsproblematik.

Die umfassende Analyse zeigt klar, dass die Energiewende allein durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien nicht innert gebotener Frist zu realisieren ist. Besonders möchte ich positiv hervorheben, dass sich Schlumpf auch auf die Resultate von fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen stützt, die zu meinem Ärger von der Politik und sogar von Wissenschaftern totgeschwiegen werden, weil sie nicht die dort erwünschten Ergebnisse zeigen. Ich denke hier an die Vergleiche der verschiedenen Stromerzeugungstechnologien, die auf aufwändigen Lebenszyklusanalysen beruhen. Das Paul Scherrer Institut hat damit erstmals 2010 die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Kernenergie aufgezeigt. Die Vergleiche wurden von Zeit zu Zeit aufdatiert, so auch vor der Volksabstimmung vom Mai 2017 zur Energiestrategie 2050, und ergaben weiterhin für die Kernenergie positive Resultate. Auf Geheiss des Bundes durfte der Bericht erst nach der Abstimmung veröffentlicht werden!

Martin Schlumpf’s Werk ist bestens geeignet, einen faktenbasierten Beitrag zur wieder anlaufenden Diskussion um die künftige Rolle der Kernenergie zu liefern. Er benennt die Herausforderungen der Energiewende für das Stromsystem unverblümt und bemüht sich um eine verständliche Darstellung der nicht immer einfachen Zusammenhänge. Der Einbezug von Grafiken fördert dabei die Verständlichkeit – leider ist die Lesbarkeit wegen dem handlichen Buchformat nicht bei allen optimal.

Es ist zu wünschen, dass das Buch in der energiepolitischen Diskussion Beachtung findet, insbesondere im Rahmen der hängigen Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes. Meine Hoffnung hält sich allerdings in Grenzen, denn unangenehme Fakten nimmt man auch in der Politik nicht gerne zur Kenntnis. Und ich habe auf meine verschiedentlich gestellte Frage, was prioritär sein solle, Versorgungssicherheit und Klimaschutz oder der Kernenergieausstieg, bisher keine Antwort erhalten.

Atomkraft – Das Tabu
Brauchen wir Kernkraftwerke?
Martin Schlumpf
Edition Königstuhl
ISBN 978-3-907339-36-7

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