Energieverbrauch sinkt in 2022, CO2 Emissionen steigen

Agora-Energiewende bilanziert das Jahr 2022 und es kommt, wie es kommen musste. Die Rückkehr zur Kohle zeigt sich in den Zahlen ganz deutlich, das berichtet die FAZ.

“Der verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken als Gas-Ersatz hat die deutschen Klimaziele einer Studie zufolge 2022 durchkreuzt. Obwohl der Energieverbrauch insgesamt vor allem wegen der hohen Preise um fast fünf Prozent zurückgegangen sei, machte der Kohle- und Öl-Einsatz die Treibhausgas-Einsparung wieder zunichte, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Auswertung des Thinktanks Agora Energiewende. Auch der Verkehrs- und Gebäudesektor konnte seine Vorgaben im vergangenen Jahr wieder nicht erfüllen. Deutschland produzierte so aufgrund vorläufiger Zahlen mit 761 Millionen Tonnen Treibhausgas fast genau soviel wie 2021. Die selbstgesetzte Obergrenze für 2022 wurde um rund fünf Millionen Tonnen verfehlt.”

Dazu passt thematisch ein Artikel aus der Welt (Bezahlschranke):

“Dämm-Chaos und Atomausstieg beenden den Traum von der sauberen Energie … Weiter sagte Gedaschko: „Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen mehr als eindeutig, dass mit einem politischen Tunnelblick die Anforderungen an die Energieeffizienz einzelner Gebäude einseitig viel zu hoch geschraubt wurden. Das hat zu sehr teuren energetischen Zwangsmaßnahmen mit viel zu wenig Einspareffekt geführt.“

Im Neubau etwa gilt ab kommendem Jahr verpflichtend der Effizienzhaus-40-Standard, zusätzlich ist ein Nachhaltigkeits-Zertifikat gefordert. Viele Projektentwickler halten die Anforderungen vor dem Hintergrund hoher Baukosten kaum für umsetzbar. Im Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen will man dennoch an der bisherigen Strategie festhalten. „Wir werden im neuen Jahr alles dafür tun, um die Treibhausgasemissionen beim Bauen, Umbauen, Sanieren und Wohnen weiter zu reduzieren“, sagte eine Sprecherin. Es bestehe „weiterhin ein großes Reduktionspotenzial“. Deshalb arbeite die Bundesregierung aktuell an einem „Sofortprogramm“.”

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Forscher: “E-Autos werden schnell wieder verschwinden”. Diese Aussage lässt sich im Interview des österreichischen Standards mit Georg Brasseur, emeritierter Professor der TU Graz, finden.

“Brasseur: […] Bisher war Energie immer dann da, wenn wir sie brauchten. Steigen wir um auf volatile Primärenergie wie Wind und Sonne, ist Energie nur da, wenn wir sie von der Natur bekommen. Wir müssten uns also anpassen – so eine Verhaltensänderung wollen Menschen nicht. Der Druck wird massiv steigen, aus Wind und Sonne schnell speicherbare Energieträger herzustellen.

STANDARD: Kann das gelingen?

Brasseur: Nicht im benötigten Ausmaß. Europa war nicht energieautonom und wird es auch in Zukunft nicht sein. 2019 wurden auf dem ganzen Kontinent 58 Prozent der Energieprodukte importiert. Um das mit grüner Energie zu kompensieren, würden wir 110-mal so viel Photovoltaikfläche wie heute brauchen. Das entspräche der Fläche von Rumänien. Oder wir müssten 36-mal so viele Windräder aufstellen. Allein diese Zahlen zeigen, dass das nicht geht – rechtlicher oder gesellschaftlicher Widerstand noch exklusive.”

“STANDARD: Also am Verbrenner festhalten?

Brasseur: Unbedingt. Der hohe Wirkungsgrad eines E-Autos kommt vom elektrischen Antriebsstrang, nicht von der Batterie. Das wird leicht vergessen. Die Mitnahme der Energie muss von Kraftstoffen kommen, die eine höhere Energiedichte haben als Batterien. In Schwellen- und Entwicklungsländern könnte das Konzept E-Auto noch weniger funktionieren als in Industrieländern. Deren Stromversorgung im Land ist viel zu gering, und diese Länder brauchen Strom genauso zur Defossilisierung der Wirtschaft und Haushalte. Ohne transportfähige Energieträger geht es nicht, und das sind eben Kohlenwasserstoffe wie Diesel, Benzin, Petroleum, Methanol oder Methan. Wir können es uns nicht leisten, eine parallele Welt für neue Energieträger aufzubauen, weil die Errichtung neuer Energievektoren viel mehr fossiles CO2 freisetzt als im Endeffekt eingespart würde.”

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Von Norwegen lernen?! Beim Besuch von Wirtschaftsminister Habeck hat dieser sich auch eine besondere Zementfabrik angesehen, wie die Tagesschau berichtet.

“Norwegen gilt als ein Vorreiter in der CCS-Technologie. Das Kürzel CCS steht für “Carbon Capture and Storage” – also Abscheidung und anschließende Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund. Das Zementwerk in Brevik gehört zum sogenannten “Longship”-Projekt, das von der norwegischen Regierung mit rund 1,6 Milliarden Euro gefördert wird. Ziel ist es, bis 2024 eine ganze CCS-Kette zu schaffen und marktreif zu machen: Abscheidung von CO2 wie im Zementwerk Brevik, Transport des verflüssigten Kohlendioxids und Abspeicherung im Meeresboden vor der Küste Norwegens. Kristin Jordal forscht zu CCS an der norwegischen SINTEF-Stiftung mit Hauptsitz in Trondheim. Sie betont, dass die Technik funktioniere: “Wir wissen, dass wir CO2 abscheiden und dann im Boden speichern können – für sehr lange Zeit. Ich glaube, es ist eine sehr nützliche Technologie, die Teil des Portfolios sein kann, mit dem wir dem Klimawandel entgegenwirken.”

CCS wurde von den Grünen in Deutschland lange abgelehnt. Hier bahnt sich jedoch ein Umdenken an. Habeck äußerte sich mittlerweile überraschend positiv zu CCS.

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Risiko der Transparenz. Ebenfalls in der Tagessschau ein Artikel über die Gefahren von öffentlich zugänglichen Daten bei der kritischen Infrastruktur.

“Wer deutsche Digital-, Strom- und Gasnetze sabotieren will, der kann schon auf legalem Weg viel erfahren. Der Verfassungsschutz mahnt Behörden und Wirtschaft zu mehr Vorsicht – anders als die Bundesnetzagentur. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) fordert einem Bericht der “Süddeutschen Zeitung” zufolge Unternehmen, Behörden und Industrieverbände dazu auf, weniger Informationen im Internet zu veröffentlichen. Aktuell seien dort zu viele Daten, Karten und Baupläne verfügbar, die Hinweise auf etwaige Anschlagsziele liefern. Die Zeitung stützt sich in ihrem Bericht auf einen ihr vorliegenden “Sicherheitshinweis für die Wirtschaft” der Behörde. Ausländische Geheimdienste und andere mögliche Saboteure suchten Erkenntnissen des BfV zufolge das Internet systematisch nach Information über die deutschen Digital-, Strom- und Gasnetze ab.”

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Auf seinem Blog stellt Daniel Stelter ein Best of aus 2022 vor. Im Juli 2022 erschien sein Kommentar zur Kernenergie.

“Nun klafft eine große Lücke: Erdgas sollte die Brückentechnologie in eine klimaneutrale Energieerzeugung sein und bis 2035 doppelt so viel Strom erzeugen wie 2018 und noch 2040 mehr zur Stromerzeugung beisteuern als vor vier Jahren. Undenkbar, dass das über Flüssiggas aus anderen Regionen erfolgen kann, ganz abgesehen von der erheblichen Klimaschädlichkeit. Statt dies einzugestehen, handelt Deutschland nach einem Zitat von Mark Twain: „Nachdem wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“

Dabei basieren viele der Modelle, auf die sich die Energiewende stützt, auf überoptimistischen Annahmen: Das Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien soll auf ein Mehrfaches der vergangenen Jahre steigen, ohne zu beantworten, woher die Materialien und die Fachkräfte dafür kommen sollen. Wie groß die Gefahr ist, die Herausforderungen der Energiewende zu unterschätzen, zeigt das Beispiel der „Dunkelflaute“, in der weder Wind- noch Solarkraft einen Beitrag leisten. Von Verteidigern der Energiewende als „Mythos“ abgetan (weil leicht überbrückbar), zeigt eine neue Studie der Forscher Oliver Ruhnau und Staffan Qvist über die vergangenen 35 Jahre, die massive Unterschätzung des Risikos.”

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Ende Januar 2022 erscheint die erweiterte und ergänzte Ausgabe von Stefan Uhligs Buch “Der natürliche Klimawandel”. Neue Kapitel sind „CO2-Regime der Vergangenheit“ und „Klima-quo vadis?

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Jetzt auch noch das: Klimaaktivsten besetzen Universitäten. Dabei können sie durchaus auf Goodwill hoffe, wie Alex Reichmuth im Nebelspalter schreibt:

Klimaaktivsten besetzen Universitäten – und stoßen auf Goodwill

Zuerst klebten sich die Klimaaktivisten auf Strassen. Dann übergossen sie Kunstgemälde mit Tomatensauce und Kartoffelbrei. Nun haben sie eine neue Art gefunden, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen: Sie besetzen Universitäten. Initialzündung in Europa war die erfolgreiche Besetzung der Universität Barcelona im November: Protestierende der Bewegung «EndFossil: Occupy!» hatten eine Woche lang einen Teil des Universitätsgeländes belagert. Dann knickte die Hochschulleitung ein.

Weiterlesen im Nebelspalter.

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Leserpost von Wolfgang Richter:

Der Artikel „Wie Strom (hoffentlich) bald günstiger wird“ im Spiegel (hinter einer Bezahlschranke) ist lesenswert. Er ist nicht deshalb so interessant, weil er viele oder so gut wie alle „Schwachstellen“ der Energiewende beschreibt, die die Leser des Blog Klimanachrichten (Kalte Sonne) bereits alle kennen, sondern weil das im links-grünen Spiegel steht, der so arg auf Klimakrise macht und die allein-seligmachende Energiewende bisher in den Himmel lobte. Die zentrale Aussage:

„Tatsächlich wird die Energiewelt gerade auf den Kopf gestellt. Jahrzehntelang liefen Atom- und Kohlekraftwerke praktisch durch und produzierten stabil dieselbe Menge Strom. Die Schwankungen im Verbrauch deckten vor allem Gaskraftwerke ab, deren Produktion von Elektrizität sich recht schnell hoch- und runterregeln lässt. In der neuen Energiewelt ist es andersherum. Hier kommt immer mehr Strom aus wetterfühligen Solar- und Windkraftwerken. Die Versorgung schwankt gewaltig, Garanten für Stabilität werden händeringend gesucht. Stromspeicher sind eine Option, grüner Wasserstoff eine andere. Denn der lässt sich in Zeiten großer Knappheit in Kraftwerken verfeuern.“

Und zum Thema Merit Order:

„Dieses recht simple Gebilde hatte schon immer zwei Ziele: Die Stromversorgung soll sicher und bezahlbar sein. Ab der Jahrtausendwende bildete sich Klimafreundlichkeit als drittes Ziel heraus. »Energiepolitisches Dreieck« nennen Stromexperten das. Schon jetzt, bei 40 bis 50 Prozent Ökostromanteil, sind diese Ziele gefährdet. Denn der reine Marktpreis hat den Bau der vielen Solar- und Windkraftanlagen noch nie finanzieren können – also bekommen die meisten Betreiber eine Förderung . Lange zahlten die Verbraucher auch dieses Geld per EEG-Umlage, seit Juli übernimmt sie der Staat. Das Problem der Finanzierbarkeit dürfte sich bald noch verschärfen. Denn je mehr Grünstromanlagen ans Netz gehen, desto häufiger werden diese über die Merit Order den Preis setzen. Da solche Kraftwerke aber keine Brennstoffe benötigen, fällt der Strompreis in solchen Zeiten fast auf null. Die erneuerbaren Energien kannibalisieren sich also selbst: Der Bau neuer Anlagen zerstört paradoxerweise genau deren Einnahmequelle.“

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