Fritz Vahrenholts monatliche Kolumne, 21.1.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die globale Mitteltemperatur lag im Dezember um 0,56 °C oberhalb der Mittelwerts von 1981 bis 2010. Die durchschnittliche Temperaturerhöhung auf dem Globus in diesem Zeitraum war 0,13 C pro Jahrzehnt. Die Sonnenaktivität des Dezembers lag mit einer Sonnenfleckenzahl von 1,6 leicht höher als im November. Vergleichbar geringe Sonnenaktivitäten hatten wir vor 200 Jahren mit dem Dalton-Minimum.
Fortschritte der Klimawissenschaft
Wie wir in der obigen Grafik sehen, ist die Temperatur in den letzten zwanzig Jahren um etwa 0,5 Grad angestiegen. Das wird häufig in Politik und Medien als Hinweis auf eine kritische Entwicklung angesehen. Da hilft es, wenn man die Veränderung der Energiebilanz der Erde in den letzten 20 Jahren näher untersucht. Das haben Steven Dewitte vom Königlich Belgischen Meteorologischen Institut und Co-Autoren kürzlich gemacht. Es lohnt sich die Arbeit anzuschauen. Sie werteten die Messungen der auf die Erde einfallenden Strahlung der Sonne und die der ausgehenden Strahlung aus.
Die Arbeit basiert auf den Daten der Satelittenmission CERES (Cloud’s and the Earth’s Radiant Energy System) der NASA. Die Satelitten messen die Strahlung von der Sonne ( in der Abbildung lila) und die gesamte ausgehende Strahlung TOR (total outgoing radiation in grün), die sich zusammensetzt aus der von der Erde ausgehenden langwelligen, durch die Treibhausgase abgeschwächten Strahlung und der von Wolken und Aerosolen reflektierten Strahlung.
Interessanterweise sieht man einen leichten Rückgang der solaren Strahlung von 2000 bis heute von etwa 0,25 W/m², die der zurückgehenden Sonnenaktivität in den letzten beiden Sonnenzyklen geschuldet ist. Die Differenz der Komponenten der ausgehenden Strahlung bleiben über den Zeitraum mit Schwankungen konstant.
Subtrahiert man die beiden Kurven, ergibt sich die Energiebilanz der Erde EEI (im nächsten Diagramm lila). Sie ist die Summe der eingehenden Strahlung und der ausgehenden Strahlung an der Grenze der Atmosphäre (Top of the atmosphere TOA).
Und diese Energiebilanz EEI (in lila) nimmt leicht ab (Mittelwert grün). Die Energiebilanz ist eine bedeutende Größe: Überschreitet die ausgehende Strahlung die eingehende, so kühlt das System ab, im anderen Fall erwärmt es sich. In Zeiten von Erwärmung der Erde und stark steigenden Treibhausgasen sollte man also eine steigende positive Bilanz erwarten: Es kommt immer mehr Leistung pro m² an, als die Erde abstrahlt. Die Satelittenmessungen zeigen überraschenderweise , dass sich die Erde zwar erwärmt, aber die Erwärmung in den letzten 20 Jahren leicht abnimmt. Das bringen auch die Autoren zum Ausdruck :“„At first sight it seems surprising that the EEI is decreasing during a period of continued greenhouse gas emission”.
Frank Bosse ging einen Schritt weiter. Wenn das Energiebudget der Erde nicht weiter zunimmt (eher sogar leicht abnimmt), dann bildete die beobachtete Temperaturerhöhung durch die Klimaantriebe in den entsprechenden Jahren den Gleichgewichtszustand ab, es würde die Klimasensitivität ECS, also die „Equilibrium Climate Sensitivity“, sichtbar werden.
Mit einer geeigneten Technik ermittelte er die ECS aus den vorliegenden EEI-Daten, den Temperaturdaten und den CO2-Daten der letzten 20 Jahre und kam zum Ergebnis : die ECS ist 1,7 °Celsius. Das bedeutet, bei einer Verdopplung des CO2- Gehaltes erwärmt sich das Klimasystem nur um 1,7°C bis zum Gleichgewicht. Man muss einschränkend darauf hinweisen, dass der zur Verfügung stehende Zeitraum von 1998 bis 2018 kurz ist, denn bei Klimaberechnungen legt man Wert auf eine mindestens 30-jährige Zeitspanne.
Den fast genau gleichen Wert (1,66 °C) hatten Nic Lewis und Judy Curry schon aus Langzeituntersuchungen der Temperaturen und Antriebe unter Berücksichtigung der Wärmeinhaltsänderung der Ozeane (OHC für „Ocean Heat Content“) gefunden. Auch Roy Spencer konnte die ECS auf einem unabhängigem Weg bestimmen: 1,7°C !
Es gibt „multiple lines of evidence“ der Beobachtungen, dass der Wert für die ECS in diesem Bereich liegt und nicht bei 3,2°C, wie es der 5. Sachstandbericht des IPCC 2013 (AR5) aus den entsprechenden Modellen (CMIP5) ableitete, oder gar bei 4°C, wie es die „verbesserten“ Modelle CMIP6 für den nächsten Sachstandsbericht vermuten lassen.
Was bedeutet das für unser Handeln ?
Eine Klimasensitivität des CO2 von 1,7 bedeutet, dass sich bei einer Verdoppelung des CO2 -Gehalts der Atmosphäre – von 280 ppm im Jahre 1860 auf 560 ppm in 2100 – lediglich eine Erwärmung von 1,7 Grad einstellt. Damit landet man im Korridor des Pariser Abkommens zwischen 1,5 und 2,0 Grad in diesem Jahrhundert. 560 ppm erreicht man nämlich, wenn zu den heutigen 410 ppm noch 150 ppm hinzukommen. Bei einer jährlichen Zunahme um die heute erreichten 2 ppm landen wir also in 75 Jahren, also 2095, bei 560 ppm. Wir sollten daher alle Anstrengungen unternehmen, dass es zu keinem größeren Zuwachs kommt und nach 2095 nichts mehr hinzukommt.
Im Augenblick steigen allerdings die Zuwächse weltweit, insbesondere in China. Chinas CO2 -Emissionen steigen weiter, in 2018 und 2019 um 2,3 bzw. 4 %. Es sind 245 GW Kohlekraftwerke bis 2030 geplant ( so die Erklärung Chinas zum Pariser Abkommen) und 102 GW Kohlekraftwerke weltweit werden durch China finanziert ( das allein ist zweimal so groß wie der deutsche Kohlekraftwerkspark).
Der Schlüssel zur Einhaltung von 560 ppm und damit des Pariser Ziels liegt nicht in Deutschland. 2035 wird der Peak in China erreicht sein und man wird dann in China mehr als dreimal die deutschen Gesamtemissionen von heute hinzuaddiert haben und selbst pro Kopf deutlich vor Deutschland liegen. Das interessiert die Machthaber dort aber nicht die Bohne. Die schauen sich den deutschen industriepolitischen Harakiri -Kurs mit Interesse an. Etwa, dass nun die Grünen die Nichtinbetriebnahme des letzten, aber modernsten Kohlekraftwerks in der Welt, Datteln, fordern.“Die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks und das weitere Abbaggern von Dörfern lässt sich weder national noch international erklären», sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.
Vielleicht lässt sich das national nicht mehr erklären, international schon.
Es grüßt Sie
herzlich
Ihr Fritz Vahrenholt