Wir können den Klimawandel nicht im Krisenmodus bekämpfen

Wie wohltuend anders liest sich das Interview mit Jochem Marotzke aus dem November 2023. Während für andere Wissenschaftler das Kippen der Atlantischen Umwälzströmung längst beschlossene Sache ist, führt Marotzke im Interview sehr fein aus, wo die Probleme bei der These liegen. Auffallend auch, dass er nicht die Worte Klimakrise benutzt oder Klimakatastrophe. Er hält den Krisenmodus, den sich so viele seiner Kollegen sehnlichst wünschen, für falsch bei der Bewältigung der Aufgaben.

“Wenn das System kippt, würde die Zirkulation dann für immer stoppen?

Das Bild eines Kipppunkts, das man oft im Kopf hat, ist: Da fällt was um, und es steht nicht wieder auf. Eine Definition aus dem Jahr 2008, die inzwischen oft verwendet wird, verlangt nicht mehr, dass der Übergang irreversibel ist. Hier ist nur noch von einem Punkt die Rede, jenseits dessen das System deutlich empfindlicher oder sogar instabil wird und sich Veränderungen beschleunigen. Demnach würde die Atlantische Umwälzströmung einen Kipppunkt überschreiten, auch wenn die Zirkulation nur kurz stoppt und dann wieder anfährt.

Wie schätzen Sie ab, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Szenario in Ihrem Modell ist?

Um zu beobachten, wie sich die Strömung genau verändert, brauchen wir engmaschige und sichere Messungen. Die haben wir erst seit dem Jahr 2004. Ich habe damals eine recht einfache Methode vorgeschlagen, an den Rändern des Atlantiks die Dichte des Wassers zu messen. Wasser fließt als Ausgleichsströmung zwischen Regionen unterschiedlicher Dichte und so konnten wir dann über mathematische Verfahren auf die Stärke der Gesamtzirkulation des Atlantiks schließen.

Zeigen Ihre Daten eine Abschwächung?

Wir sehen einen Trend. Ob diese Abschwächung natürlich oder anthropogen (also menschengemacht) ist, wissen wir nicht. Die Fluktuation in den Daten ist immer noch zu hoch.

Marotzke geht aber auch auf die Wissenschaft und ihr Verhältnis zur Politik ein. Und auch hier kritisiert er sehr fein einige seiner medial bekannteren Kollegen.

“Hinter der Wissenschaft und Politik stecken durchaus unterschiedliche Werte und Ziele.
Da entsteht Reibung, zumal die Zivilgesellschaft Erwartungen an beide Seiten hegt.

Die Politik muss völlig zu Recht sehr viel mehr einbeziehen, als nur wissenschaftliche Erkenntnis. Gut gemachte Politik ist in einer Demokratie dafür da, für einen Interessenausgleich zu sorgen, sie hat auch eine Leitfunktion. Das weiß ich sehr zu schätzen. Wenn Politik so streng konsistent wäre, wie die Wissenschaft es sein muss, wäre sie handlungsunfähig.

Wie sollten diese Akteure zusammenarbeiten?

Ich wünsche mir, dass Wissen systematischer einbezogen würde. Oft werden Expertinnen und Experten rangeholt, die der Politik sagen, was sie hören will. Ich will der Politik nicht einflüstern, was sie zu tun hat. Es wäre wichtig, dass der Diskurs offener gestaltet wird und dass die volle Breite der Argumente vorgetragen wird, auch wenn sie die Politik nicht hören will.

Ein schönes Beispiel: Ich durfte schon zwei Mal bei einem Schmidt-Gespräch im Hause von Helmut und Loki Schmidt in Hamburg dabei sein, wo Menschen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft für einen offenen Diskurs zusammen kommen. Es geht hier ums Verstehen im allerbreitesten Sinne, auch um das Verstehen der jeweils anderen Seiten. Ich schätze diesen geschützten Raum, in dem man die Zeit hat, im tiefgründigen Austausch herauszuarbeiten, welche Aspekte vielleicht noch unberücksichtigt sind.””

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Kurz vor dem Beginn der Schmelzsaison auf Grönland verzeichnet die SMB (Surface Mass Balance) noch einmal einen starken Zuwachs. Polarportal, eine Webseite des dänischen Meteorologischen Instituts, gibt täglich Karten dazu heraus. Die Werte der Schmelzsaison 2023-2024, die Ende August endet, liegen demnach noch dicht am Mittelwert der Jahre 1981-2010. Das Portal führt als Referenz die Saison 2011-2012 in rot, als ab Juni eine signifikante Abnahme der Masse-Bilanz erfolgte.

(Abbildung: Screenshot Polarportal.dk)

Möglich macht den Zuwachs ein Tiefdruckgebiet im Süden von Grönland, wie man es bei Ventusky sehr schön sehen kann. Dort im Süden bildet sich momentan mehr Eismasse, weil es Niederschläge gibt.

(Abbildung: Screenshot Ventusky.com)

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Das ist schon schlau, was die Bundesregierung sich da ausgedacht hat. Die Auflagen für den Betrieb und die Errichtung von Anlagen, die die Umwelt belasten, werden geschliffen. Dazu gehört auch Lärm. Das könnte auch Betreibern von Walzwerken helfen, allerdings verabschieden sich solche Industrien gerade aus Deutschland. Daher besteht hier keine Gefahr. Es geht um Windkraftanlagen, denen soll geholfen werden und Anlagen zur Wasserstofferzeugung. Wer kennt ihn nicht, den Lärm der Elektrolyseure?

Die Tagesschau:

“Der Bundestag hat grünes Licht für schnellere Genehmigungen für Windräder und andere Industrieanlagen gegeben. Mit der geplanten Neuerung sollen bestimmte Anlagen, darunter Windräder, in Deutschland künftig schneller gebaut und umgebaut werden können. Dafür wird ein bereits bestehendes Gesetz – das sogenannte Bundesimmissionsschutzgesetz – angepasst. Es betrifft alle Anlagen, die Lärm verursachen oder sonst potenziell schädlich für die Umwelt sein können. Dazu gehören neben Windrädern beispielsweise auch Walz-Werke, Gießereien, Abfallentsorgungsanlagen und Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff. Der SPD-Politiker Daniel Rinkert war als Berichterstatter seiner Fraktion maßgeblich an der Erarbeitung des neuen Gesetzes beteiligt. “Wir zünden heute den Super-Turbo bei der Beschleunigung”, erklärte Rinkert im Bundestag. Der SPD-Abgeordnete geht nach eigenen Angaben davon aus, dass Verfahren dadurch im Schnitt um zehn Monate verkürzt werden.”

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Unter welchem Stein mag Herbert Diess, ehemaliger Chef von VW, die letzten Jahre verbracht haben? Im Interview mit dem Fokus kann man einiges lernen, auch, dass die Aufgabe der Energiewende in Deutschland überschätzt wird…

Dabei wird die Energiewende im deutschen Diskurs gerne mal als gescheitert angesehen.

Diess: Die Richtung ist eindeutig. Solarenergie ist weltweit jetzt günstiger als Kohle und damit wächst sie einfach sehr viel schneller. Und das ist auch nicht mehr umkehrbar. Diese Technologien wachsen schnell, weil sie einfach günstiger sind. Speicher werden günstiger und werden deswegen schnell wachsen. Wenn das Stromspeichern nur noch einen Cent kostet, dann ist auch die Atomkraft nicht mehr wettbewerbsfähig gegen Solar. Dann bleiben noch die seltenen Dunkelflauten, dafür braucht man einige Kraftwerke.”

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Scheiß auf die Topografie und die Schwerkraft. Das wird man sich beim Spiegel wohl gedacht haben, als man dort einen neuen Service vorstellte.

“Wie gefährdet ist ihr Wohnort?”

Natürlich reizt so was zum Ausprobieren, sofern man einen Spiegel Plus Account hat. Jörg Kachelmann hat offenbar so einen Account und hat es probiert. Er nahm einen Ort im Schwarzwald, der auf etwa 1.000 Meter Höhe liegt, auf einem Berg: Höchenschwand. Der Spiegel prognostiziert für diesen Ort eine erhöhte Gefahr durch Starkregen. Bis 20250 sogar eine hohe Gefährdung.

Nun, Wasser fließt bergab und daran wird sich auch in 2050 wenig ändern. Gefährdet sind in erster Linie Täler und tieferliegende Gegenden bei Starkregen, ganz besonders an Flüssen an denen sich viel Wasser aus den Bergen sammelt. Das aber scheint man beim Spiegel nicht zu wissen und hat stumpf Regensummen benutzt.

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