Fritz Vahrenholts monatliche Kolumne, 2.5.2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die globale Mitteltemperatur lag im April 2020 erneut deutlich niedriger als im Februar und März mit 0,38 °C oberhalb der Mittelwerts von 1981 bis 2010. Die durchschnittliche Temperaturerhöhung auf dem Globus von 1981 bis Februar 2020 betrug 0,14 °C pro Jahrzehnt. Die weitere Entwicklung verspricht interessant zu werden, zumal eine Reihe von Forschungsinstituten gegen Ende des Jahres mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer kühlenden La Nina im Pazifik rechnen. Die Sonnenaktivität des März war mit einer Sonnenfleckenzahl von 1,5 sehr niedrig. Die Aktivität im April stieg leicht auf 5,4 an. Die ersten Sonnenflecken des neuen Zyklusses zeigen sich.
Was veranlasst die Sonne zu einem 11 jährigen Zyklus ?
Seit der Dessauer Apotheker Heinrich Samuel Schwabe 1843 entdeckte, dass die Sonnenflecken der Sonne in einem 11-jährigen Zyklus zu- und abnehmen, rätselt die Wissenschaft, woran es wohl liege, dass dieser Schwabe-Zyklus 11 Jahre dauert und warum in diesem Rhythmus auch das solare Magnetfeld seine Polarität wechselt : Der Nord- wird zum Südpol und umgekehrt.
Im Juli letzten Jahres, machten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums in Dresden Rossendorf eine kaum beachtete, aber aufregende Entdeckung. Die Planeten Venus, Erde und Jupiter liegen alle 11,07 Jahre recht genau auf einer Linie. Zu diesem Zeitpunkt wirkt ihre Schwerkraft gemeinsam in eine Richtung auf die Sonne ein.
„Die Übereinstimmung ist erstaunlich genau: Wir sehen eine völlige Parallelität mit den Planeten über 90 Zyklen hinweg“, erklärt Frank Stefani, einer der Autoren der in Solar Physics veröffentlichten Publikation. Ähnlich wie die Anziehungskraft des Mondes die Gezeiten auf der Erde hervorruft, so könnten Planeten das heiße Plasma auf der Sonnenoberfläche verschieben. Doch der Effekt einer simplen Anziehungskraft ist zu schwach, um die Strömung im Sonneninneren signifikant zu stören, weswegen die zeitliche Koinzidenz lange nicht weiter beachtet wurde.
Die Forscher gehen nun davon aus, dass die Schichten des Plasmas einer Taylor-Instabilität unterworfen sind. Die Taylor-Instabilität ist bekannt aus dem Verhalten von unterschiedlich dichten Flüssigkeiten an ihrer Grenzfläche ( Wir kennen die Verwirbelungen, die entstehen, wenn man Milch in eine Tasse Tee eingiesst.) Die Taylor-Instabilität reagiert dabei selbst auf sehr geringe Kräfte empfindlich. Ein kleiner Energieschub genügt, damit die Polarität des solaren Magnetfeldes alle 11 Jahre hin- und herpendeln. Den notwendigen Impuls hierfür könnte die Gezeitenwirkung der Planeten geben – und so letztendlich auch den Rhythmus vorgeben, in dem das Magnetfeld der Sonne umpolt.
Die Gezeitenkräfte der Planeten könnten neben ihrer Rolle als Taktgeber für den 11-Jahres-Zyklus auch weitere Effekte auf die Sonne haben. Zum Beispiel wäre denkbar, dass sie die Schichtung des Plasmas im Grenzbereich zwischen innerer Strahlungszone und äußerer Konvektionszone der Sonne, der Tachokline, so verändern, dass der magnetische Fluss leichter abgeführt werden kann. Unter diesen Bedingungen könnte sich auch die Stärke der Aktivitätszyklen verändern, so wie einst beim „Maunder Minimum“ die Sonnenaktivität über eine längere Phase deutlich zurückging, schreiben die Forscher auf der Webseite des Helmholtz-Zentrums. Es ist schon ein ungewöhnlicher Gedanke, dass die Aktivität der Sonne durch die Planeten, u.a. durch die Erde selbst, gesteuert werden. Das klingt nach Astrologie – ist aber der Stand der Sonnenforschung.
Einer der ersten Forscher, der eine Beeinflussung der Sonnenaktivität durch die Planeten annahm, war Theodor Landscheidt, der schon im Jahre 1988 in seinem Buch „Sun-Earth-Man“ die sinkende Stärke der Sonnenzyklen 22 und folgende vorhersagte. Er nahm allerdings einen anderen Mechanismus an, wonach die Planeten die Sonne aus dem Schwerpunkt (Barycenter) unseres Sonnensystems zyklisch verschieben. Landscheidt verstarb 2004.
Und auch in unserem Buch „Die kalte Sonne“ hatten wir Prof. Nicola Scafetta zu einem eigenen Kapitel eingeladen, der schon damals die Konjunktion von Saturn und Jupiter als Ursache eines 60- jährigen Zyklus interpretierte. In einer im Februar 2020 in Solar Physics erschienen Publikation, bringt er die längerfristigen Schwingungen (Hallstatt -2400 Jahre ,Eddy – 1000 Jahre ,Suess-de Vries – 210 Jahre) ebenfalls in Zusammenhang mit Einflüssen der schweren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Die Langfassung ist hier zugänglich.
Klimawissenschaftlich ist es von höchster Bedeutung, herauszufinden, ob es hier einen belastbaren Zusammenhang gibt. Denn der 1000 jährige Eddy-Zyklus hat sich in den römischen, mittelalterlichen und modernen Wärmeperioden niedergeschlagen. Und der etwa 200 Jahre lange Süss-de Vries Zyklus ist durch das Dalton Minimum um 1810 und ein Maximum um 1915 gekennzeichnet. Spannend ist dies deswegen, weil der Eddy – Zyklus in diesem Jahrhundert sein Maximum verlässt und der Suess-de Vries – Zyklus sich seinem Minimum nähert. Insgesamt geht einher die Frage, wieviel trägt die Natur und wieviel trägt der Mensch zur Klimaänderung unserer Tage bei. Die Frage nach dem jeweiligen Anteil ist alles andere als beantwortet.
Herzlichst Ihr
Fritz Vahrenholt